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auskennt, ist man seines Lebens nicht sicher.«
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Der Arzt sah ihn zweifelnd an, zog aber dann ein Blatt
Pergament aus der Tasche und kritzelte ein paar Worte dar-
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auf, die Bresser stumm für sich las, wobei sich seine Lippen
bewegten wie das Maul eines Fisches, der auf dem Trocke-
nen schwamm.
»Wenn Ihr Schwierigkeiten mit meiner Handschrift habt«,
sagte der Arzt, »gehe ich gerne mit und sehe selbst nach.«
»Es geht schon«, sagte Bresser hastig. »Ich kann lesen. Es
ist nur das Licht, meine Augen sind nicht mehr die besten.«
Tobias sah ihm verwirrt nach, als er ging. Hätte es irgend-
einen Grund dafür gegeben, dann hätte er jetzt angenom-
men, daß Bresser soeben fast verzweifelt zu verhindern ver-
sucht hatte, daß er oder der Arzt in den Keller hinabgingen.
Der Mönch schloß die Tür hinter Bresser, ging zum Tisch
und warf im Vorübergehen einen Blick aus dem Fenster.
Draußen war es stockdunkel. In keinem einzigen Haus
brannte Licht. Aber für einen winzigen Moment glaubte er
eine Gestalt am Fenster vorüberhuschen zu sehen.
»Ist es seine Schuld?«
Tobias verstand die Frage des Arztes nicht sogleich.
»Was?«
»Ich frage, ob er diese arme Frau so zugerichtet hat«, wie-
derholte der Arzt.
»Wie kommt Ihr darauf?« Tobias warf einen letzten nervö-
sen Blick zum Fenster und setzte sich.
»Weil ich Augen im Kopf habe und sehen kann«, antwor-
tete der Arzt. »Außerdem kenne ich Bresser. Er ist ein Idiot,
aber er ist auch gefährlich. Es macht ihm Spaß, zu quälen.
Das ist auch der Grund, aus dem Theowulf ihn zum Schul-
zen eingesetzt hat. War es seine Schuld?«
»Ich weiß es nicht«, gestand Tobias. »Angeblich war es ein
Irrtum. Der Graf behauptet, es wäre die Schuld von Bressers
Frau, weil sie seine Befehle falsch verstanden hat. Aber das
ist eine Lüge.«
»Sie wollten sie sterben lassen«, sagte der Arzt grimmig.
»Natürlich - das wäre der einfachste Weg gewesen.«
»Wozu?«
»Sie loszuwerden«, antwortete der Arzt. »Die zweite Mög-
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lichkeit seid Ihr, Pater. Aber ich glaube nicht, daß Theowulf
besonders begeistert über Euer Erscheinen ist.«
»Nicht . . . unbedingt«, gestand Tobias. »Ihr kennt Euch
in den Gegebenheiten hier offenbar gut aus.«
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»Ich bin der einzige Arzt, der gelegentlich in diesen öden
Landstrich kommt. Was bleibt mir anderes übrig, als mich
hier auszukennenl« antwortete der Arzt spöttisch.
Es dauerte einen Moment, bis Tobias überhaupt begriff,
was er gerade gehört hatte. »Ihr kommt öfter hierher?« fragte
er aufgeregt.
»Dann und wann. Die Menschen hier sind zäh. Sie werden
selten krank, und wenn, rufen sie mich noch seltener. Sie
haben kein Geld, mich zu bezahlen.«
»Dann seid Ihr am Ende vielleicht sogar der, der Verkolt
behandelt hat?«
»Nein«, antwortete der Arzt. »Ich bin der, der ihn nicht
behandelt hat. Ich wollte es - aber sie hat mich davon-
gejagt.«
»Aber Ihr habt ihn gesehen?«
»Sicher.«
»Wurde er vergiftet?« fragte Tobias gerade heraus.
Der Arzt zögerte einen kurzen Moment. Dann nickte er.
»Soweit ich das beurteilen kann, ja«, sagte er.
»Was soll das heißen - soweit Ihr das beurteilen könnt?«
»Ich habe ihn nicht gründlich untersucht. Katrin hat es
nicht zugelassen. Sie hat sich wie eine Furie aufgeführt, als
ich ihn auch nur anrühren wollte. Aber ich denke, es war
Gift. Eines, das sehr langsam wirkt, aber unerbittlich.«
»Wißt Ihr, welches?«
Sein -Gegenüber lachte. »Nein, Pater. Wenn diese Frau
wirklich vom Teufel besessen ist, wie die Narren hier
behaupten, wißt Ihr dann, um welchen Dämon es sich han-
delt?«
Tobias sah ihn verwirrt an, und der Arzt fügte mit einer
erklärenden Geste hinzu: »Seht Ihr, ich kenne die Zusam-
mensetzung und Wirkungsweise etlicher hundert Gifte. Und
es gibt etliche weitere hundert, deren Wirkung ich nicht
genau kenne - und wahrscheinlich tausend, von denen ich
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bisher noch nicht einmal gehört habe. Hätte ich Verkolt
untersuchen können, gleich nachdem er starb, dann hätte
ich Euch vielleicht Genaueres sagen können. Aber so . . .«
Er zuckte bedauernd mit den Schultern.
Tobias war enttäuscht, wenn auch nicht sehr. Es wäre ver-
messen, vom Schicksal zu verlangen, daß es ihm so einfach
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gemacht wurde. Nach einer Pause fuhr er fort:
»Ich nehme an, Ihr wißt, warum ich hier bin?«
»Natürlich.«
»Dann werdet Ihr es mir nicht übel nehmen, wenn ich
Euch vielleicht als Zeugen lade.«
»Doch - das nehme ich übel. Aber ich glaube, ich kann
Euch nicht daran hindern.«
»Kaum«, antwortete Tobias lächelnd. Er wurde sofort wie-
der ernst. »Euch ist nicht daran gelegen, vielleicht einem Un-
schuldigen zu helfen - oder eine Schuldige zu überführen?«
»Mir ist nicht daran gelegen, mich mit diesem Grafen
anzulegen«, antwortete der Arzt. »Theowulf ist verrückt.
Und er ist gefährlich. Die Leute hier fürchten ihn wie die
Pest. Und sie haben allen Grund dazu.«
»Wieso?«
Bressers Rückkehr hinderte den Arzt daran, zu antworten
- worüber er sichtlich aufatmete. Das Thema behagte ihm
nicht.
Bresser brachte gleich einen ganzen Arm voller kleiner,
staubiger Fläschchen und Töpfe, die mit schmalen, in einer
krakeligen Handschrift beschrifteten Zetteln versehen
waren. Der Arzt suchte eines der kleinen Fläschchen heraus,
wollte es Bresser geben, er reichte es dann aber Tobias.
»Davon eine Messerspitze, in etwas Wasser gelöst«, sagte
er. »Alle zwei Stunden.«
»Das ist alles?«
»Das ist alles«, bestätigte der Arzt. »Lediglich die kalten
Wadenwickel, mit denen Ihr schon angefangen habt. Der
Rest bleibt dem Willen Gottes überlassen.«
Tobias verstaute das Fläschchen sorgsam in einer Tasche
seiner Kutte und sah zu, wie Bresser den Rest wieder forttrug
- offensichtlich nicht zurück in den Keller, denn er kehrte
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schon nach Augenblicken zurück und setzte sich ungefragt
zu ihnen, so daß sie ihre unterbrochene Unterhaltung nicht
fortsetzen konnten. Tobias ärgerte sich darüber. Aber letzt-
endlich befand er sich in Bressers Haus. Er konnte ihn
schlecht ohne triftigen Grund aus dem Zimmer jagen.
Der Arzt hatte sich eigentlich verabschieden wollen, aber
dem Drängen Marias, zu bleiben und mit ihnen das Abend-
essen einzunehmen, gab er gerne nach. Maria verstand einen
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